Oft schreit die Jahreszeit ja eher nach Schlappen, Sofa – das ganze Programm; vor allen Dingen für die Sportler:innen, die ihre Saison im Sommer haben. Es gibt das aber auch andersherum: Primetime ist Winter.
Und außerdem wären wir nicht sporting, wenn … also, kommt auf die Kufen. Und das geht vielfach in Hamburg, und zwar in Stellingen, im Volkspark in der q.beyond Arena, im Eisland Farmsen oder eben am Samstag- und Sonntagmorgen sowie am Dienstagabend auf der Eislaufbahn in Planten un Blomen. Für die Öffentlichkeit zu diesen Stunden gesperrt, findet sich hier ganz exklusiv eine eingeschworene Truppe an Rennfahrer:innen zusammen. Das sind die Eisschnellläufer:innen, es gibt sie wirklich in Hamburg, des Altonaer Schlittschuhläufer-Vereins, des Hamburger Sport-Vereins und des Hamburger Schlittschuh Clubs.
Eislaufen hat in Hamburg Tradition. Schon Ende des vorletzten Jahrhunderts, man munkelt, es solle damals noch echte Winter gegeben haben, besprühte man große Flächen mit Wasser und zauberte sich rein ins Eisvergnügen, begleitet von Blaskapelle und Erbsensuppe. Minusgrade und Fanfaren gibt’s heute nur noch selten hier im hohen Norden, aber dafür zum Glück die INDOO Arena.
Klaus Reders vom Altonaer Schlittschuhläufer-Verein e. V. freut sich. „Zwar gibt es hier keine – wie sonst üblich – 400 m-Bahn, aber immerhin können wir auf knapp 200 m unsere Runden drehen. Toll, dass uns der Hamburger Eis- und Rollsportverband diese Zeiten ohne Publikum vermitteln konnte.“ Im Inneren der Eisfläche zwirbeln die Eisprinzessinnen und -prinzen ihre Pirouetten, auf einer 3 m breiten Bahn drumherum erholen sich die Schnellläufer:innen von ihren rasanten Ritten auf der ebenfalls 3 m breiten Außenbahn. Insgesamt trainieren hier meist 10–15 Läufer:innen parallel, von Kind bis Oldie; der über 80er-jährige Werner Krohn beendete gerade erst seine Wettbewerbskarriere, sein noch einziger Konkurrent in der Altersklasse: Werner Krohn. Gecoacht wird sich gegenseitig, und wer zum ersten Mal dabei ist: „Na klar, dem helfen wir auf die Beine.“
Zuerst muss man sich mal anmelden, geht zum Beispiel mit einer Mail an: werner.krohn@gmx.de (HSV) oder an: klausredershh@gmail.com (ASV). Dann in die Wallanlagen kommen, Samstag und Sonntag 8:30 – 10:00 Uhr und Dienstag 20:30 – 22:00 Uhr. Weiter geht es mit Umziehen: „Nicht so Schlabberklamotten, die Kleidung muss eng anliegen.“
Ganz wichtig sind Handschuhe, sonst Finger ab und so, fies. Und die
sollen auch wichtig sein: Schlittschuhe. Aber nicht so welche aus dem
Sportladen, ne. „Der Schuh ist ganz flach, geht kaum über den Knöchel
und darf eher ne Nummer zu klein sein, Socken bitte nicht.“ Den ganzen
Schuh mit der thermoplastischen Schicht zwischen Außen- und Innenschuh
legen Profis kurz mal neben die Weihnachtsgans in den Ofen (65 Grad, für
Rezeptwünsche bitte bei der Redaktion von „essen und trinken“ anfragen)
und passen ihn danach an den Fuß an. Leider ist auch das noch kein
Garant dafür, jetzt der oder die Schnellste auf der Bahn zu sein.
„Eisschnelllaufen ist schwieriger, als es aussieht, aber bei uns kann
man es ja lernen, keine Angst.“
Begonnen wird mit einem Lauftraining,
dann kommen die Schrittübungen hinzu. Die 45 m-Gerade soll man nämlich
möglichst mit nur 3–4 Schritten schaffen, Gleiten muss man also auf
einem Bein. Dafür muss man sich erstmal abstoßen können, und zwar über
den gesamten Schuh. Die Kufe, genannt wegen ihrer Schärfe auch
„Brotmesser“, hat vorne keine Zacken, ist nur ca. 1 mm breit, extrem
lang und hat einen Radius von ca. 23–24 m. Deswegen ist auch das
Übersetzen in der Kurve die wohl größte Herausforderung, da ist nichts
mit in die Kurve legen, wer angeben will: Man nimmt die Kurve
tangential. „Da kann man sich schön verhaspeln.“ Und auch wehtun? Leider
ja, aber deswegen legt das Team in den Kurven Matten aus, aber ein Helm
wäre tatsächlich auch eine feine Sache. Sicherheit vor Frisur, bitte!
Und dann eine wichtige Info: immer linksherum auf der Bahn, die heißen
zwar Geisterfahrer, man kann aber leider nicht durch sie hindurchfahren.
„Zum Glück können wir dank einer erneuerten Kältetechnik und Eishobeln
die optimalen Bedingungen schaffen, für die Eisschnellläufer:innen ist
eine Bahn ohne Unebenheiten extrem wichtig.“ Und: „Eisschnelllauf
erfordert eine extreme Körperbeherrschung und Konzentration, und das
Gleiten und der Speed machen einfach glücklich.“ Deswegen gleich mal bei
Werner Krohn oder Klaus Reders melden. Für die ersten Schritte gibt es
sogar Leihschlittschuhe. Vorher auf jeden Fall informieren, bei Regen
oder Schnee ist die Eisbahn nicht befahrbar. „Unser Sport ist wetter-
und saisonabhängig, aber dafür sind wir immer an der frischen Luft.“ Ab
Mitte März geht es übrigens ins Zirkeltraining, für andere inhaltlich
eher ein Wintertraining, und zwar aufs Rad: Beine, Rücken trainieren,
Kondi machen.
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