Sehr beeindruckend war auch das Gespräch mit Jasper Hölscher (25), Sportchef Fußball beim ETV, der hat richtig was zu sagen.
Wir kannten ihn vorher gar nicht wirklich, haben nur mal vorgesprochen, weil wir die Was-wäre-wenn-Maschine bemüht haben. Was wäre, wenn der ETV mit seiner 1. Herren in die Fußball-Regionalliga aufsteigt? Eimsbüttel? „Wäre eigentlich kein Zufall“, sagt Jasper im Grunde. Er ist sehr konzentriert. Dennoch ist das alles hypothetisch.
Jasper ist ETV, mit 6 Jahren war er schon Mitglied, wahrscheinlich nicht mehr Krabbelgruppe, aber – schon Fussi, und Trainer war er dann auch schon mit 13. Natürlich hat er selber, bis heute, Fußball gespielt. Und gar nicht so übel: Denn er spielt aktuell selbst bei Norderstedt in der Regionalliga. Bis vor zwei Jahren war er immer auch Trainer, dabei auch immer sehr eng mit Loïc Favé (der wechselte vor noch nicht lange her vom ETV als Co-Trainer zu Pauli; leider gerade freigestellt, demnächst nach … ist noch Geheimnis).
Jasper machte dann sein duales Studium beim ETV, Sportmanagement, und ist jetzt schon Sportlicher Leiter beim ETV, mit 25. Aufgemerkt: Der ETV ist einer der erfolgreichsten Vereine in Hamburg. Jasper, er stapelt tief: „Mit zwei, drei anderen Vereinen sind wir in der Nachwuchsarbeit wohl die Nr. 3 hinter den beiden Dickschiffen HSV und Pauli.“ Der ETV ist dabei ein bisschen im Primus-Bereich unterwegs, möchte man meinen, die machen das nämlich alles so ganz schlimm richtig und schwerst fundiert.
„Sehr oft haben Vereine mal ein Hoch, steigen auf, dann fehlt dann doch der Unterbau, und der Fahrstuhl fährt wieder nach unten“, sagt er, „wir wachsen organisch. Mir ist der systematische Aufbau wichtig“, erklärt er. „Und daraus sind gute Ligazugehörigkeiten entstanden“, und er schielt bewusst auf keine Leistungsklasse, sondern unterstreicht lediglich die Kontinuität, die gemeint ist. Deswegen wäre ein vermeintlicher Aufstieg in die Regionalliga, auch wenn sie gerade erst in die Oberliga aufgestiegen waren, konsequent, dauerhaft, bewusst. „Unser Fokus liegt aber gar nicht in der Spitze, wir sind kein Bundesligist, um das mal klar zu machen.“ Sie sind Lieferant, und das finden sie gut. „Unsere Kennzahlen für unseren Erfolg lauten: Wie viele unserer Spieler gehen in die Leistungszentren, wie viele unserer Spieler gehen in die Regionalliga, egal für welchen Verein, wie viele schaffen es in unsere 1. Herren. Deswegen investieren wir viel in die Ausbildung unserer Trainer“, sagt Jasper.
Und hat gar kein Problem mit Loïcs Weggang zu Pauli. „Das ist doch die beste Visitenkarte“, meint er und zählt weiter auf, welche ehemaligen Jugendspieler des ETV gerade bei Greuther Fürth, Dortmund und so weiter in den Aufbauteams hoffentlich ranrauschen. „Daran macht sich doch eine gute Ausbildung fest“, findet er. Und erwähnt dabei aber durchaus auch die sogenannte Ausbildungsentschädigung, die die Heimatvereine aller hochklassigen Spieler laut Regelwerk des DFB von der Deutschen Fußball Liga zu kriegen haben. „Wir sind gar nicht genervt, wenn Spieler von uns woanders hin wechseln, wir sind vielmehr stolz“, und er verteilt rote Karten an alle, die an ihren Talenten festhalten. „Wir verstecken unsere Spieler nicht“, sagt er. Und dabei ist die Ausbildung beispielhaft.
„Zu uns wechselt niemand wegen Kohle. Wir setzen auf Team, Identifikation und Persönlichkeit“, beschreibt er „und wir trainieren viel.“ „Sehr wichtig sind für uns aber auch die talentfreien Kriterien wie Pünktlichkeit, Attitude, die Idee, zu regenerieren, die Selbst-Wahrnehmung, aber auch der Aspekt, in welchem Maße der Spieler für seine Mitspieler da ist.“ Und: „Ein großes Ego einzelner Spieler zieht andere runter.“ Nicht gut.
Das ETV-System baut auf drei Säulen: Entwicklung, Zusammenhalt und Emotionen. Gerade das Thema Emotionen, über Entwicklungen sprachen wir, ist ihm sehr wichtig: „Fußball ist für 99 % aller Spieler Hobby, muss Spaß machen.“ Von aktuell 1.600 aktiven Fußballer:innen schaffen es nämlich nur 5 in die Spitze, vielleicht. „Und dennoch wollen wir, dass sich ALLE immer gern an die Zeit beim ETV erinnern.“ Jasper: „Sie stehen für den ETV ein, unterstützen sich gegenseitig bei den Spielen, beim Spiel der 1. Herren gegen Altona waren 2.000 Zuschauer:innen, das sind Momente, die man nie vergisst.“
Und nun kann es vielleicht sogar den Aufstieg geben, einen konsequenten. Deswegen ist auch die Spielstätte längst geklärt, der Etat nahezu safe (wobei …) und, die erste, wichtigste Voraussetzung steht auch: Das Team ist bereit, hat Bock, will das Investment eingehen. Jasper schwärmt: „Da sind Spieler der 1., die wissen, dass die Regionalliga eine Spur zu groß ist, und trotzdem wollen die den Aufstieg, kämpfen dafür, auch wenn sie dann raus sind …“ Das meinen wir mit Zusammenhalt und Emotionen. Das ist das ETV-System.
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