… aber alle, die Hamburg in Paris vertreten haben, sind Gold wert. Finden wir zumindest. Eine Rückschau auf 16 großartige Olympia-Tage.
Was war das bitte für ein Fest! Wir bei sporting haben uns mitreißen lassen von den Leistungen, wir haben mitgefiebert, mitgefeiert und manchmal auch mitgelitten, und das mit allen Athletinnen und Athleten, aber noch ein bisschen mehr mit unseren Hamburger*innen. Und weil gefühlt das gesamte Land die Begeisterung für olympischen Sport neu entdeckt hat, ist es uns wichtig, nicht nur die vier Hamburger Silbermedaillen zu feiern, sondern alle aus unserer Stadt zu würdigen, die ihren Traum vom Olympiastart in Frankreich wahr machen konnten. Denn das habt ihr euch verdient!
Badminton
Unglücklich war Yvonne Li mit ihrer zweiten Olympiateilnahme. Die 26-Jährige, geboren in Hamburg, heimisch am Bundesstützpunkt in Mülheim an der Ruhr, haderte nach den beiden 1:2-Niederlagen in der Vorrundengruppe gegen die Chinesin Chen Yu Fei (14:21, 21:17, 9:21) und die Dänin Mia Blichfeldt (14:21, 21:14, 12:21) mit sich selbst. „Ich habe zu passiv und zu ängstlich gespielt. Es war zwar nicht meine schlechteste Leistung, aber so reicht es leider nicht“, sagte sie.
Beachvolleyball
Über den Silber-Coup von Nils Ehlers und Clemens Wickler vom Eimsbütteler TV lest ihr alles in unserer Team-Hamburg-Serie ein paar Seiten weiter. Svenja Müller (23/ETV) und Cinja Tillmann (33/Düsseldorf) zeigten in der Gruppenphase bei den 2:0-Siegen über die Französinnen Clemence Vieira/Aline Chamereau (21:14, 21:12) und Barbora Hermannova/Marie-Sara Stochlova aus Tschechien (21:17, 21:9) souveräne Leistungen, bei denen besonders Cinja mit ihrer Schnelligkeit und Variabilität in Angriff und Abwehr herausragte.
Im Gruppenfinale gegen die US-Weltmeisterinnen Sara Hughes/Kelly Cheng mussten sich die Hamburgerinnen trotz erneut starker Leistung mit 0:2 (18:21, 18:21) geschlagen geben. Umso bitterer, dass dann der erste schwächere Auftritt beim 1:2 (13:21, 21:17, 16:18) gegen die Lettinnen Tina Graudina/Anastasija Samoilova gleich das Aus bedeutete – vor allem, weil sie die beiden eine Woche nach Olympia bei der EM in den Niederlanden besiegten und anschließend den Titel holten. „Wir haben alles gegeben und uns nichts vorzuwerfen. Insgesamt hat es großen Spaß gemacht, hier dabei zu sein“, sagten sie. Ernüchternd bis enttäuschend waren dagegen die drei sieglosen Auftritte von Laura Ludwig (38/HSV) und Louisa Lippmann (29/SCC Berlin). Mehr dazu in einem Extrastück zu Lauras Karriereende.
Golf
Die überraschendste Silbermedaille holte ohne Zweifel Esther Henseleit. Die 25-Jährige, die ihren Lebensmittelpunkt in Arizona (USA) hat, aber für den Hamburger GC Falkenstein gemeldet ist, hatte vor der Schlussrunde auf Rang 13 gelegen, schlug sich dann aber mit 66 Schlägen auf dem Par-72-Kurs bis auf Rang zwei durch. Sogar Olympiasiegerin Lydia Ko aus Neuseeland wurde sie fast noch gefährlich. „Mir fehlen die Worte, ich bin unglaublich glücklich“, sagte die aus Varel in Niedersachsen stammende Athletin, „es wird einige Zeit dauern, das zu realisieren.“ Die vielen Fans, die sie auf dem Kurs lautstark antrieben, machte sie für den Erfolg mitverantwortlich. „Die haben mich ins Ziel getragen!“.
Handball
Zum ersten Mal seit 16 Jahren waren die deutschen Frauen wieder für Olympia qualifiziert. Und für die in Buxtehude respektive Hamburg geborenen Emily Bölk (26/Ferencvaros Budapest) und Katharina Filter (25/Brest Bretagne) und ihre Mannschaft reichte es immerhin zum Viertelfinaleinzug. Dort war gegen Gastgeber Frankreich trotz einer ansehnlichen Leistung nach dem 23:26 Endstation.
Hockey
Für die deutschen Damen mit Innenverteidigerin Viktoria Huse (28), den Außenbahn-Arbeiterinnen Kira Horn (29) und Emma Davidsmeyer (25), Spielmacherin Anne Schröder (29/alle Club an der Alster), Torjägerin Jette Fleschütz (21/Großflottbeker THGC), den Mittelfeld-Stabilisatorinnen Lena Micheel (26) und Amelie Wortmann (27), die beide zur neuen Saison vom Uhlenhorster HC nach Großflottbek wechseln, und Angreiferin Felicia Wiedermann (22), die bei Alster groß wurde und nun für Rot-Weiß Köln spielt, berichtet Vicky Huse in der Team-Hamburg-Serie.
Für die Herren, die in Abwehrchef Mathias Müller (32/Hamburger Polo Club) und Mittelfeldmotor Hannes Müller (24/UHC) nur auf zwei Hamburger setzten, blieb nach einem 1:3 nach Penaltyschießen im Finale gegen die Niederlande immerhin Silber. Mit einem krachenden 8:2 gegen Frankreich war der Weltmeister ins Turnier gestartet, das 0:2 gegen Spanien sorgte für ein wenig Ernüchterung, mit dem 5:1 gegen Südafrika war die Auswahl von Bundestrainer André Henning wieder in der Spur. Das 1:0 im Gruppenspiel gegen die Niederlande war ein wenig schmeichelhaft, aber wegen der starken Defensivleistung nicht unverdient, und das 2:1 gegen Großbritannien sicherte den Gruppensieg. Im Viertelfinale wurde, ebenfalls in der Neuauflage des 3:1 gewonnenen Tokio-Viertelfinals, Argentinien 3:2 niedergekämpft. Im Halbfinale kam die Chance zur Revanche gegen Indien, gegen das in Tokio die Bronzemedaille vergeben worden war. Und obwohl die Asiaten das bessere Team waren, gelang mit einem 3:2-Sieg der Einzug ins Finale gegen den Erzrivalen, der nach dem 1:1 in der regulären Spielzeit im Shoot-out etwas mehr Glück hatte. „Natürlich ist es hart, ein Olympiafinale so knapp zu verlieren, aber trotzdem fühlt es sich so an, dass wir Silber gewonnen und nicht Gold verloren haben. Wir hatten mit vielen Verletzungen zu kämpfen, haben uns aber super entwickelt. Ich bin unfassbar stolz und dankbar, Teil dieses Teams gewesen zu sein“, sagte Hannes.
Judo
Sie trainiert zwar seit Jahren in Halle an der Saale, ist dem Olympiastützpunkt Köln zugeordnet. Aber als Mitglied ihres Stammvereins TSV Glinde zählen wir Miriam Butkereit natürlich zum Hamburger Aufgebot. Deshalb freuen wir uns auch noch ein bisschen mehr darüber, dass die 30-Jährige in Paris ihre Bestleistung abrufen konnte.
Nachdem sie Aoife Coughlan aus Australien und Gabriella Willems aus Belgien jeweils durch Ippon (große Wertung) bezwingen konnte, ging es im Halbfinale gegen Michaela Polleres aus Österreich in die Verlängerung. Erst in der achten Kampfminute wurde Polleres mit der dritten Bestrafung, die automatisch die Disqualifikation bedeutet, aus dem Kampf genommen. Im Finale gegen Barbara Matic fehlte Miriam dadurch ein wenig die Kraft, um die kleine Wertung der Kroatin noch zu kontern. „Aber mit Silber bin ich total zufrieden. Es ist Wahnsinn, wie viele Menschen die Wettkämpfe verfolgt haben“, sagte sie. Auch Mascha Ballhaus darf mit ihrer Leistung zufrieden sein, auch wenn sie das selbst nicht so sehen konnte. „Natürlich hätte ich gern eine Medaille mitgenommen. Aber es war eine großartige Erfahrung, aus der ich unheimlich viel lerne“, sagte die 24-Jährige vom TH Eilbeck, deren Zwillingsschwester Seija die Qualifikation im 57-kg-Limit knapp verpasst hatte, aber als Unterstützerin in Paris dabei war. „Das ist für uns etwas sehr Besonderes gewesen. Wir teilen seit unserer Geburt fast alles, da war es für mich selbstverständlich, dass ich Mascha hier als Sparringspartnerin unterstützt habe“, sagte die eine Minute ältere Seija. Nach dem Wettkampf durften die beiden ihre Geschichte sogar im ZDF-Studio erzählen. „Das war eine tolle Erfahrung, wir haben danach unglaublich viele Nachrichten bekommen“, erzählte Mascha. In der Klasse bis 52 kg hatte sie zunächst Paulina Martinez aus Mexiko und die für die Vereinigten Arabischen Emirate startende Khorloodoi Bishrelt per Ippon besiegt. Das Gruppenfinale verlor sie nach einer kampfstarken Leistung wegen der dritten Bestrafung gegen die Usbekin Diyora Keldijorowa, die danach bis zum Olympiasieg durchzog. Die letzte Chance auf Bronze vergab Mascha in der Hoffnungsrunde, als sie der Brasilianerin Larissa Pimenta in der Verlängerung nach 5:55 Minuten Kampfzeit durch Ippon unterlag.
Sehr schnell beendet war der Einzelstart für Schwergewichtlerin Renée Lucht. Die 25-Jährige von der HT 16 unterlag in Runde eins bereits nach 1:25 Minuten Kampfzeit durch Ippon gegen die Georgierin Sophio Somkischwili. Ein kleiner Trost war, dass Renée ebenso wie Miriam für den Mixed-Team-Wettbewerb nominiert wurde, den Deutschland nach einem 3:4 gegen Südkorea im Bronzeduell auf Rang vier beendete.
Leichtathletik
Nicht besonders glücklich konnten die HSV-Sprinter Owen Ansah (23) und Lucas Ansah-Peprah (24) mit ihren Auftritten sein. Zunächst schied Owen über 100 Meter in 10,22 Sekunden als Vorlauffünfter aus. Dann reichte es in der 4×100-Meter-Staffel für beide in 38,55 Sekunden ebenfalls nur zu Platz 5 im Vorlauf. HSV-Hürdensprinter Manuel Mordi scheiterte auf deutlich dramatischere Weise. Nach einem Fotofinish fehlte dem 21-Jährigen im Hoffnungslauf über die 110 Meter eine Hundertstelsekunde zum Halbfinaleinzug. Eine sportlich ebenso ernüchternde Olympia-Premiere erlebte Mika Sosna (21). Der Diskuswerfer von der TSG Bergedorf schaffte in der Qualifikation nach zwei ungültigen Versuchen nur 61,88 Meter (geforderte Qualiweite war 66,00 Meter) und schied als 21. aus. „Ich hätte gern gezeigt, was ich drauf hatte, habe aber nicht in den Wettkampf gefunden. Jetzt Kopf hoch, Krone richten, weiter geht’s“, sagte Mika.
Rudern
Groß war die Aufregung im Deutschland-Achter mit Torben Johannesen (29) und Benedikt Eggeling (25/beide RC Favorite Hammonia) vor dem Hoffnungslauf. Schlagmann Mattes Schönherr hatte sich in der Nacht mit einem Magen-Darm-Infekt abgemeldet, also musste Torben die wichtigste Position im Paradeboot übernehmen. Und das klappte viel besser als befürchtet: Auf Rang zwei, nur knapp hinter den Niederlanden, gelang die Qualifikation fürs Finale.
Dort waren erwartungsgemäß die Briten nicht zu schlagen, die vor den Niederlanden und den USA Gold holten. Deutschland wurde mit viereinhalb Sekunden Rückstand auf Bronze Vierter – mit Torben auf Schlag, obwohl Schönherr wieder fit war. „Für mich war das keine große Sache, ich war ja nicht zum ersten Mal Schlagmann. Ich wollte einfach dem Team Ruhe und Stabilität verleihen, nachdem unsere Trainerin Sabine Tschäge entschieden hatte, dass ich auf Schlag bleibe“, sagte er. Mit Rang vier war Torben letztlich zufrieden, „weil es unter den Umständen an dem Tag das Optimum war, was wir rausholen konnten.“ Seine Zukunft im Achter lässt er bewusst offen. „Ich will abwarten, ob der Verband bereit ist, grundlegende Änderungen umzusetzen, die wir dringend brauchen!“ Im Doppelvierer der Männer saß Tim Ole Naske (28) von der RG Hansa. Auch er ist Teil unserer Team-Hamburg-Serie.
Schwimmen
Rafael Miroslaw war nicht ganz sicher, wie er seine olympische Premiere einordnen sollte. „Eigentlich muss ich happy sein, zwei Finalteilnahmen mit den Staffeln sind schon super“, sagte der 23-Jährige, der bei der HT16 und am Hamburger Bundesstützpunkt sportlich aufwuchs und mittlerweile in den USA studiert. Mit der 4×100-Meter-Freistilstaffel, die am Ende Siebte wurde, schwamm Rafael im Vorlauf und Finale deutschen Rekord, über die doppelte Distanz reichte es letztlich zu Rang acht. Mit seinem Einzelstart über die 200 Meter Freistil war der Hamburger nicht ganz glücklich, im Halbfinale schied er als 15. aus. „Es gibt aber nicht viel, was ich hätte besser machen können. Ich habe alles rausgeholt, deshalb kann ich stolz auf mich sein.“ Ganz genau! Julia Mrozinski (24), die in den USA studiert, aber noch dem Hamburger Stützpunkt zugeordnet ist, verpasste über ihre Paradestrecke 200 Meter Freistil als Vorlauf-17. das Halbfinale um einen Platz und eine halbe Sekunde. Mit der 4×200-Meter-Freistilstaffel lief es nicht besser, beim Aus im Vorlauf war Julia die Deutsche mit der schwächsten Zeit. „Gut ist was anderes, das ist schon enttäuschend“, sagte sie ehrlich.
Segeln
Als Medaillenbank gestartet, kamen die sechs Hamburger Asse ohne Edelmetall aus Marseille zurück. Am besten traf es Kiterin Leonie Meyer (31) mit Gesamtrang fünf, ihre NRV-Kollegin Theresa Steinlein (22) konnte mit Rang sechs im iQFoil aber ebenso zufrieden sein wie Marla Bergmann (22) und Hanna Wille (23) vom Mühlenberger Segel-Club, die in unserer Team-Hamburg-Serie über Platz sechs bei ihrer Olympiapremiere berichten. Enttäuschend waren dagegen die Leistungen der Goldkandidaten vom NRV. Sebastian Kördel (34) verpasste als 12. im iQFoil ebenso das Medal Race wie Philipp Buhl, der im Laser auf Gesamtrang 13 abschloss.
Tennis
Mach’s noch einmal, Sascha – das war der Auftrag an Alexander Zverev gewesen, der in Tokio vor drei Jahren Olympiagold geholt hatte. Doch dann kam im Viertelfinale gegen den Italiener Lorenzo Musetti, seit seinem Triumph am Rothenbaum 2022 auch in Hamburg kein Unbekannter, mit 5:7, 5:7 das Aus.
Im Mixeddoppel schied der 27-Jährige an der Seite von Laura Siegemund (36/Metzingen) in Runde eins mit 4:6, 5:7 gegen Katerina Siniakova/Thomas Machac aus Tschechien aus. Zwei dicke Enttäuschungen musste Tamara Korpatsch verkraften. Die 29-Jährige vom Club an der Alster wurde zunächst im Einzel in Runde eins von der Chinesin Wang Xinju mit 6:2, 6:1 abgeschossen, im Doppel gab es an der Seite von Tatjana Maria (36/Bad Saulgau) ebenfalls in der Auftaktrunde eine 3:6, 0:6-Klatsche gegen Maria Carle/Nadia Podoroska aus Argentinien. „Es war mein Kindheitstraum, mal bei Olympia zu spielen. Es war leider zu kurz, aber ich habe viele neue Menschen kennen gelernt und bin echt froh, dabei gewesen zu sein“, sagte sie. Manchmal ist Dabeisein eben doch noch alles.
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