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Cinja Tillmann (33) gilt nach dem Abschied von Laura Ludwig nun auch offiziell als beste Beachvolleyballerin Deutschlands. Im sporting-Gespräch bilanziert sie ihre Olympiasaison und erklärt, warum sie auch künftig­ mit Svenja Müller (23) zusammenspielen wird.

Cinja Tillmann gilt im Beachvolleyball als Abwehrexpertin
Als Abwehrexpertin ist Cinja auch mit den Füßen durchaus geschickt. Spektakuläre Rettungsaktionen sind ihre Spezialität.

sporting: Mancher glaubt es kaum, Cinja, aber deinen Urlaub nach der krassen Olympiasaison hast du am Strand verbracht. Kriegst du nie genug vom Sand?

Cinja Tillmann: Nee, ich liebe Sand und Sonne! Vor allem warm muss es im Urlaub sein. Dann gehe ich auch gern wandern, aber am Strand zu liegen und zu entspannen ist ja auch etwas komplett anderes als das, was wir sonst im Sand tun. Das stimmt wohl. Wie gelingt es dir, bei all der harten Arbeit deinen Beruf auch zu genießen? Für mich steht an Nummer eins, Zeit mit der Familie und dem Freundeskreis zu verbringen. Auch Ausschlafen und auf der Couch entspannen mag ich sehr. Aber da dazu während der Saison keine Zeit ist, haben wir im Team Rituale wie gemeinsames Kaffeetrinken an einem schönen Ort, mit denen wir uns Inseln der Entspannung schaffen. Und die sind extrem wichtig.

Wie lange dauert es, bis du nach einem sportlichen Höhepunkt abschalten kannst? Das kann ich nicht generell beantworten, aber es gelingt mir zum Glück meist sehr gut. Das liegt auch daran, dass ich großartige psychologische Betreuung habe, sowohl durch Annika Weinkopf am Olympiastützpunkt als auch dank Lothar Linz, der mich persönlich coacht.

Man sieht das auf dem Feld daran, dass du in deinem Spiel kaum Wellen hast, dir gelingt es in den meisten Fällen, konstant deine Leistung abzurufen. Warum? Ist ja schön, wenn das nach außen so wirkt! Ich selbst sehe noch viel Potenzial, um Dinge zu optimieren. Das Mentale war früher definitiv nicht meine größte Stärke, aber das hat sich über die Jahre entwickelt, auch weil mir die Arbeit mit den Fachleuten sehr viel gegeben hat. Von Punkt zu Punkt zu denken, so wie wir es immer sagen, mag wie ein Mantra klingen, aber es hilft mir wirklich sehr. Egal bei welchem Spielstand, du musst den vorangegangenen Punkt abhaken und dich auf den nächsten konzentrieren können.

Gibt es Bereiche deines Spiels, in denen du dich am Optimum angekommen fühlst? Nein, auf keinen Fall! Und das wäre auch nicht gut, denn wenn ich nicht das Gefühl hätte, mich noch weiterentwickeln zu können, dann hätte ich wahrscheinlich große Motivationsprobleme. Niemand ist perfekt, man muss immer hart an sich arbeiten. Schwächen abschwächen und Stärken stärken, dieses Motto gefällt mir.

Manch Expertinnen und Experten halten dich seit einigen Jahren für die beste deutsche Beachvolleyballerin. Nach dem Karriereende von Laura Ludwig bist du es jetzt auch offiziell. Was bedeutet dir das? Ich finde es schade, dass diese Vergleiche überhaupt angestellt werden. Laura hat eine einzigartige Karriere hingelegt und wurde dafür sehr verdient gefeiert und würdig verabschiedet. Ich habe nie darüber nachgedacht, mich mit ihr zu vergleichen oder etwas zu kopieren, was am Ende sowieso nicht funktioniert. Ich kümmere mich nur darum, was ich beeinflussen kann.

Es wirkt manchmal so, als stündest du abseits des Courts ungern im Mittelpunkt. Bist du darauf vorbereitet, dass du nach Lauras Abgang mehr im Fokus stehen wirst? Es ist nicht so, dass ich mich unwohl fühle, aber ich bin auch nicht scharf darauf, vor jeder Kamera zu stehen. Im Sand fühle ich mich wohl, da gehöre ich hin. Ansonsten ist das Einzige, was für mich zählt, dass wir ein Team sind. Ein Team, das hinter sich eine Menge an Menschen hat, die uns ermöglicht haben, dort zu sein, wo wir jetzt sind.

Im Beachvolleyball gilt Cinja nach dem Rücktritt von Beach-Ikone Laura Ludwig
Cinja gilt nach dem Rücktritt von Beach-Ikone Laura Ludwig (l.) auch offiziell als beste deutsche Beachvolleyballerin.

Trotzdem wirst du ja auch singulär wahrgenommen als Spitzensportlerin. Machst du dir während der laufenden Karriere schon Gedanken darüber, wie du später einmal gesehen werden möchtest? Fehlt dir ein ‚Signature Move‘ wie bei Laura der ‚Ludwig-Laser‘? Überhaupt nicht. Ich freue mich, wenn viele in mir eine Kämpferin sehen, die niemals aufgibt, egal wie der Spielstand ist. Wir wollen als Team genau das ausstrahlen: Dass wir in jedem Training an die Grenzen gehen, um jeden Tag kleine Schritte nach vorn zu machen, und im Spiel um jeden Ball kämpfen.

Kennst du so etwas wie Zufriedenheit mit dir und dem Erreichten? Zufriedenheit ist ein schwieriges Wort, Freude trifft es besser. Natürlich kann man sagen, dass man mit einem Ergebnis zufrieden ist. Aber dennoch gibt es selbst im Moment eines Turniersiegs Dinge, die man besser hätte machen können. Mir ist wichtig, immer beides zu sehen und zuzulassen, die Freude ebenso wie das Hadern.

Dann frage ich direkt: Kannst du mit eurem Ergebnis bei den Olympischen Spielen in Paris zufrieden sein? Ihr seid im Achtelfinale ausgeschieden, habt dann aber das lettische Duo, das euch besiegt hat, zwei Wochen später bei der EM geschlagen. Mein Gefühl ist: Ihr hättet bei Olympia das Halbfinale draufgehabt. Ich sehe das zwiegespalten. Wir haben gekämpft bis zum Ende, keins unserer vier Spiele in Paris war schlecht. Natürlich war es schade, dass wir es nicht weiter als bis ins Achtelfinale geschafft haben, weil wir Matchball hatten und letztlich ein einziger Punkt gefehlt hat. Trotzdem finde ich es vermessen zu sagen, dass wir Top-4-Niveau hätten erreichen müssen. Wir waren an Position elf gesetzt, auf der Elite-16-Serie waren wir bis zu unserem Sieg in Wien vor den Olympischen Spielen in keinem Halbfinale. Insofern glaube ich, dass ab dem Achtelfinale in Paris alle Teams auf Augenhöhe waren. Wir gehören dazu, darauf dürfen wir stolz sein.

Cinja Tillmann bei der DM mit ihrer Partnerin Svenja Müller, Clemens Wickler und Nils Ehlers (l.).
Cinja (r.) bei der DM mit ihrer Partnerin Svenja Müller, Clemens Wickler und Nils Ehlers (l.).

Was in euch steckt, habt ihr nach Olympia mit den Goldmedaillen bei der EM und den deutschen Meisterschaften am Timmendorfer Strand erneut bewiesen. Trotzdem geltet ihr noch immer als Team mit großem Entwicklungspotenzial. Wer von euch beiden hat mehr davon? Viele sagen, dass Svenja aufgrund ihres Alters mehr Entwicklungs­potenzial hat. Das mag stimmen, dennoch ist sie trotz ihrer erst 23 Jahre schon auf einem extrem hohen Niveau. Sie ist unfassbar ball- und bewegungstalentiert, obwohl sie so lange Arme und Beine hat. Dazu kommen ihre Einsatzbereitschaft, der unerschöpfliche Wille, hart zu arbeiten, und ihre Reife. Ich glaube deshalb, dass wir beide noch ähnlich viel Potenzial haben, um besser zu werden.

Wenn du dir die perfekte Partnerin bauen könntest, was hätte diese, was Svenja noch nicht hat? Und was würdest du dir noch anbauen? Ich hätte gern die Ruhe und Leichtigkeit einer Kristen Nuss oder die Technik von Duda. Aber da niemand perfekt ist, versuche ich nie, andere zu imitieren. Und Svenja ist total gut so, wie sie ist!

Das heißt, ihr bleibt auf jeden Fall bis Los Angeles 2028 zusammen? Manche munkelten, man könne dich auch mit Lauras letzter Partnerin Louisa Lippmann zusammenbringen, die nun voraussichtlich mit Linda Bock spielen wird. Ist das so? Dann kann ich hier Entwarnung geben: Svenja und ich bleiben ein Team.

Während Svenja für den Eimsbütteler TV startet, spielst du weiterhin für Düsseldorf. Wann sehen wir dich für einen Hamburger Verein? Ich habe mich bewusst entschieden, der Sportstadt Düsseldorf die Treue zu halten, weil sie mich seit Beginn meiner Karriere großartig unterstützt. Das wird auch so bleiben.

Ist Hamburg trotzdem Heimat für dich? Der Wechsel zum Bundesstützpunkt war der richtige Weg, die Voraussetzungen hier sind super. Dennoch ist es auch wichtig, dass wir als Team unsere Eigenständigkeit wahren können. Meine Wohnung in Hamburg ist deshalb genauso ein Zuhause für mich wie Senden, wo ich aufgewachsen bin und wo meine Eltern wohnen, oder auch Münster und Düsseldorf.

Du bist jetzt 33. Ist Gold in Los Angeles das ultimative Ziel? Oder hast du gar keinen Karriereplan? Ich habe zwei Säulen, die meine Karriere stützen. Der Sport muss mir Freude bereiten; wenn die abhandenkommt, ergibt die harte Arbeit keinen Sinn. Und ich möchte immer eine Entwicklung sehen, individuell und als Team. Ergebnisse sind nicht vorrangig, es geht um den Prozess. Natürlich ist Olympiagold der prestigeträchtigste Erfolg. Aber ein WM-Titel ist sportlich vielleicht noch hochwertiger, weil die Leistungsdichte dort höher ist. Ich würde gern beides nehmen.

Copyright Fotos: Justus Stegemann

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