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Trotz Frühlings-Holperei, der Aufstieg greifbar, wir drücken selbstverständlich die Daumen und fahren zum HSV, um zu gucken, wie nervös er ist, Stefan Kuntz.

Und, wir sind komplett enttäuscht. Gar nicht. Stefan, er ist maximal unaufgeregt. Das sagen wir. „Zu starke Emotionen beeinflussen nur“, grinst er bei unserer Nachfrage. Wahrscheinlich auch, weil er erst seit einem Jahr am Start ist und er letztlich, Stand jetzt, trotz kurzer Ruckelei nach dem Abschied von Trainer Baumgart, recht viel richtig gemacht hat. Polzin wurde es dann, aus den eigenen Reihen. „Eine meiner Grundideen und unserer neuen Auffassung folgend, setzen wir deutlich auf die Jugend, setzen wir auf junge Talente, wenn möglich eigene. Also haben wir mit meinem Amtsantritt zu Saisonbeginn gleich damit begonnen, zweimal die Woche die U21 und unsere Profis zusammen trainieren zu lassen“, erklärt er.

Stefan Kuntz bei der Pressekonferenz erläutert er seine nachhaltige Kaderplanung
Stefan Kuntz über den HSV, nachhaltige Kaderplanung, klare Kommunikation – und den Wunsch, gemeinsam mit Stadt und Fans etwas zu bewegen.

Und weiter: „Abgesehen davon, dass ich so schnell alle Spieler und eben auch die Trainer kennengelernt habe, lernen vor allen Dingen auch die Jungs sich immer besser kennen. Das ist ja sehr wichtig, motiviert und stärkt das Wir-Gefühl sowie die Gemeinschaft.“ Und dass sie so selbst ihre Leistungsunterschiede erkennen, erklärt er uns. „Das spornt darüber hinaus an“. So konnte er dann, nach natürlich vielen Gesprächen, Merlin Polzin einsetzen. „Das junge Trainerteam hat inhaltlich voll überzeugt, zudem hatten wir das letzte Spiel vor der Winterpause gegen Fürth gewonnen, das hat natürlich gepasst“, denkt er an seinen Start à la Von-Null-auf-Hundert, in den ersten Wochen zurück.

„Wir haben aber zum Glück einen starken Aufsichtsrat, der ist sehr schnell, sehr konstruktiv“, erklärt er und freut sich im Nachhinein über den Rückhalt. Die Zusammenarbeit mit Eric Huwer, seinem Vorstandskollegen, ist offensichtlich sowieso top.

Und obwohl sie vermehrt auf den eigenen Nachwuchs setzen wollen, hat er in der Spielpause mit Alexander Røssing-Lelesiit, Aboubaka Soumahoro und Adedire Mebude dennoch drei neue Spieler von auswärts geholt, Widerspruch: „Nein, sie sind ebenfalls jung, Talente, die top ins Team passen. Vor allem mit Alexander und Abou, die wir fest verpflichtet haben, werden wir Geduld haben.“ Der Scouting-Prozess, by the way, ist krass, die Ausgewählten alles andere als Zufallsprodukte: 10 Spiele müssen die Kandidaten mindestens live gesehen worden sein, von 6 verschiedenen Scouts, dann folgen Gespräche, Checkups, …“

Die finale Entscheidung liegt dann bei mir, aber wir arbeiten hier sehr transparent, auch hier ist der AR immer eingebunden und informiert. Es wird nie so sein, dass die Beteiligten zuerst etwas Internes aus der Presse erfahren“, sagt er. „Wir tragen alle gemeinsam die Entscheidungen, das gibt ein richtig gutes Gefühl“, sagt er. Und macht einen guten Eindruck, sagen wir. „Natürlich wollen wir aufsteigen“, sagt er, „seit sieben Jahren wollen wir das“. Und „nun haben wir ziemlich gute Chancen“, sagt er, bleibt immer noch unaufgeregt und spielt mit uns auch nicht das „was-wäre-wenn-Spiel“. Ein Jahr Bundesliga, nicht absteigen, 2. … will er alles nicht hören. „Ich bevorzuge die Strategie der kleinen Schritte, bin kein Freund von HSV 2030 und dann in Europa“–

„Unser Fokus liegt voll auf dem Saisonfinale, und dann sehen wir weiter“, sagt er, hat aber schon einen alternativen Saisonplan für die Saison 2025/2026 vor seiner Nase liegen. Für jede Option eine Farbe, grün = Aufstieg, gelb = 2. Liga. Auch über so ein Braunschweig-Spiel (derbe 2:4 Niederlage zu Hause) regt er sich nicht auf, sagt er, „je sachlicher wir bleiben, desto besser“. „Wir arbeiten nach solchen Spielen wie mit einer Checkliste, das habe ich mal bei einem Pilotentraining erlebt“, sagt er weiter. „Das war sehr beeindruckend“, und wir gehen bei Piloten von lebensbedrohlichen Mayday-Situationen aus. „Bei uns geht es lediglich um, was war gut, was war schlecht“, sagt er und beschreibt dann aber alle die Facetten, die auch in einer solchen Situation anstehen. Und da kommt ganz gut was zusammen.

 

Stefan Kuntz beim Training

Er selbst spricht sehr selten vor der Mannschaft, nur wenn der Trainer drum bittet, oder wenn der Verein etwas Offizielles zu vermelden hat. Dennoch hat er recht viel Kontakt zu den Spielern. „Wir sind alle Menschen, da gibt es bei den Spielern auch mal kranke Kinder zu Hause, Stresssituationen, wir helfen dann, aber wichtig zu sehen ist, dass all diese Dinge natürlich den Einzelnen beeinträchtigen.

Das ist alles wie ein riesengroßes Puzzle, bei dem jedes Teil stimmen muss, damit ein ganzes, komplettes und schönes Bild entsteht“, sagt er gefühlvoll. Und in der Welt passiert gerade so viel, das geht ja auch hier alle an. „Unsere Werte sind uns wichtig. Wir wollen aber vor allem durch unser Tun ein Profil entwickeln, mit dem wir nicht hausieren gehen müssen, sondern ganz natürlich wahrgenommen werden. Es geht darum, im HSV eine Kultur des Miteinanders zu schaffen, die es nicht mehr erfordert extra zu erwähnen, wofür oder wogegen der HSV steht“, sagt er und fühlt sich mit all diesen Dingen offensichtlich sehr wohl in seinem neuen Verein.

„Ich bin hier beim HSV schon ganz gut angekommen“, sagt er, ganz zufrieden. „Und meine Frau und ich finden die Stadt zu schön und sehr, sehr groß und dabei herrlich vielfältig, haben deswegen längst noch nicht alles gesehen.“ Wobei sie wohl die Musicals alle schon abgehakt haben. Miniaturwunderland mit den Enkeln, Stadtrundfahrt, das ganze Programm. Die Menschen, die ihn ansprechen, alle nett, zuvorkommend, zurückhaltend. „Wichtig ist, dass der HSV nahbar bleibt, dass wir noch transparenter werden“, findet er. „Nase hoch, das sind wir nicht, wir wollen zusammen mit den Menschen etwas bewegen, müssen sie abholen, das ist mein Wunsch“, sagt er. Bodenhaftung. Und sportlich: „Will ich erstmal aufsteigen“. Klare Ansage.

Wir hatten aber noch nicht fertig, denn auch die HSV-Frauen haben uns ja, in den letzten Wochen und sowieso, unglaublich viel Spaß gemacht. Wie sich sein Blick auf den Frauenfußball verändert hat, in den letzten zwei Monaten? „Wir haben in unserem Volksparkstadion durch die beiden Pokalspiele zwei weitere emotionale Fußballfeste erlebt und eine Atmosphäre, die die Mädels wahrscheinlich nie vergessen werden. Es geht uns aber nicht darum, Events zu schaffen, sondern in Hamburg und darüber hinaus eine nachhaltige sportliche Entwicklung im Mädchen- und Frauenfußball anzustoßen und auch hier unseren Weg weiterzugehen,“, sagt er, und ist auch da offensichtlich bei weitem nicht unzufrieden. „Wir sind mit den HSV-Frauen auf einem sportlich guten Weg, fiebern dem Saisonfinale entgegen – der Doppelaufstieg wäre natürlich die Krönung. Es geht aber nicht um eine Kopie des Männerfußballs, sondern mit den HSV-Frauen eine eigene Geschichte zu schreiben, mit jungen Talenten aus der Region. Diesen Weg werden wir auch unbeirrt weitergehen, sollte der Aufstieg nicht gelingen,“ sagt er. Und natürlich drücken wir auch hier die Daumen, aber würde es bei einem Aufstieg in der Stadt nicht noch mehr Gerangel um Spielstätten geben? „Das Interesse und die Nachfrage rund um unser Team wächst, ob bei Fans oder Partnern. Infrastrukturell wollen und müssen wir das Tempo auch mitgehen, hier ist gerade mit Blick auf die Stadionthematik auch die Stadt gefragt, da sind wir für Ideen und Unterstützung offen.“

Copyright Fotos: HSV

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