Wir sind schockverliebt – in Ceci, Cecilia Farias Marchant, sie ist ein Knaller. Warum? Weil sie erst mal seeeehr nett ist; und weil sie ganz schlimm für ihre Sache brennt, lichterloh, mit chilenischen Genen, und da raucht es dann richtig.
Cecilia ist leidenschaftliche Rad-Trainerin, Diversitätskoordinatorin beim FC St. Pauli in der Radsportabteilung, auch für Inklusion zuständig, und sie leitet als Trainerin eine FLINTA*-Gruppe. Die Radsportabteilung von Pauli ist by the way mit ca. 1.000 Mitgliedern der größte Radsportverein Deutschlands. Ceci brennt wie gesagt und will es nicht auf sich beruhen lassen, dass mehr als 80 % der Mitglieder im Hamburger Radsport männlich sind. Nun hat sich der FCSP Radsport aufgemacht, dies zu ändern. Von 2017–2019 gaben hier Kathi Siegmund und Johanna Jahnke das „Deerns Training“, Ceci stieß 2019 dazu, sie sagt: „2020 haben wir es umgetauft auf FLINTA*.
Franziska Evers ist unsere Trainingskoordinatiorin für FLINTA* -Trainings.“ Dank der Ausfahrten und Trainings von Frauen für Frauen ist schon jetzt der Frauenanteil in den letzen Jahren um 25 % gestiegen, aber da fährt noch mehr. Die Kurse heißen Velo Clique Basic und Intermediate, jeweils Anfänger bis Pro, finden zweimal wöchentlich statt: Montag und Mittwoch um 18:30 Uhr, Treffen Oberhafenbrücke. FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen. MERKEN.
Das sind Personen, die eine andere Geschlechtsidentität als cis hetero männlich haben, ganz einfach. Und hat nichts mit einer sexuellen Orientierung zu tun. Und wenn Ceci schon seit Jahren bemüht ist, Frauen aufs Rennrad zu holen, sie vielleicht sogar von der Teilnahme an den Cyclassics zu überzeugen, dann hat das Ganze Thema im Zuge der Gender-Diskussionen und vermehrter Öffentlichkeit absolut Fahrt aufgenommen. Im wahrsten Wortsinne, das sollen FLINTA* nämlich unbedingt, und das ohne Frust, und jetzt müssen wir bei Cecis Beispielen, sie natürlich auch, immer wieder lachen, wenn es nicht auch so blöd wäre. „In den Anfängen, so 2014, war es oft so, dass Männer ihren Frauen für das gemeinsame Hobby ein Rad geschenkt haben, er das Spitzenrad, sie das Kettler-Alu, und er sich dann bei den Ausfahrten durch wenig Geduld und Rücksichtslosigkeit ausgezeichnet hat. Heute kaufen Frauen sehr selbstbewusst ebenso teure Carbonräder. Das finde ich richtig cool!“
Dennoch: „Es gibt einfach Frauen, die von den ewigen Mensplainings/Herrklärungen, welches Rennen ER gerade gefahren ist, von dem Gepose und Material-Vergleich genervt sind.“ Ceci weiter: „Wir tauschen uns auch über Rennen und Material etc. aus – aber eben auf eine andere, wertschätzende Art, und es gibt zudem einfach frauenspezifische Themen im Radsport.“
Was wohl am meisten nervt, und eigentlich unnötig ist, zumindest mit nachvollziehbarem Nervpotential behaftet, „die letzten Sprints bis zum Ortsschild, männliches Gegockel“, viele männliche Leser werden sich jetzt ertappt fühlen, „auch wenn wir FLINTA* ebensolche Sprints machen, dann aber aus dem Antrieb des gemeinsamen Trainings, ohne Gepose. Und trotzdem auch mit sehr ambitionierten Zielen vieler FLINTAS*“, betont sie. Und da jetzt die FLINTA* ein noch breiteres Spektrum bedingen, verstehen sich die Radsportgruppen letztlich auch als sogenannte Safe Spaces, „denn sie bieten unseren Mitgliedern einen ‚fahrenden Schutzraum’“, erklärt Ceci. Ohne das ganze Gehabe, mit viel Rücksicht aufeinander, mit Pausen bei Bedarf, mit toleranteren, homogenen Gruppen, die sich als Gemeinschaft verstehen, sich gegenseitig unterstützen, motivieren, mit respektvollem Umgang. Ceci schwärmt: „FLINTA*-Training passt zu unserem FCSP Radsport Wertekontext ‚Wir mögen es bunt. Und zwar wirklich!’ Bei uns im Verein ist wirklich jede:r willkommen! Wir bieten neben den FLINTA* Trainings diverse weitere Radsportangebote wie Bergtraining, Jugendtrainings, Bahntraining und die berühmten Mixed-Dienstagstrainings“, rührt sie die Werbetrommel.
Darüber hinaus haben die Gruppen auch neben den Vereinsangeboten Bestand, bis in das Private hinein. Auch ein geplantes FLINTA* Cycling Barcamp, mit Panel-Diskussionen, Impulsvorträgen und ganz viel Austausch und Networking, ist in Arbeit und geplant für Ende Oktober. Ziel: Mehr Frauen aufs Rennrad, mehr Lobby für FLINTA*, bis hin zu angepassten Wettkampfangeboten und gleichen Preisgeldern im deutschen Radsport. Ein langer Weg, aber Ceci und Co haben sich schon mal auf den Sattel geschwungen und sind losgeballert. Wer neugierig ist oder gleich dabei sein will:
www.fcstpauli-radsport.de/termine
Copyright Fotos: Franziska Evers Fotografie
