Wir sind ja richtig gute Freundinnen, die Sanni und die sporting. Beide extrem Female Empowerment. Und deswegen schnacken wir regelmäßig.
Sanni, 14 Grad, Frankreich, die Sonne scheint und das Haar sitzt wahrscheinlich auch; und wir im Hamburger Winter, 5 genieselte Grad. Egal. Sie freut sich über die Welle, wir so, wir dachten, Du segelst?! „Neee, ich surfe auch“, und „wir haben Periode 15“, das ist ein toller Abstand zwischen Wellen, steht für gute Welle, kompakt, hoch, klasse zu surfen. Wir sind schon wieder bedient, aber auch schlauer. Ob sie ein tolles Leben hat, wollen wir wissen. „Toll und voll“, die Antwort. „Heute bin ich voller Euphorie, wie beschwippst“, erklärt sie und wir unterstellen Alkoholmissbrauch.
„Beschwippst von der Regatta gestern, mein erster Sieg, Nachtregatta, …“, und das ist wie zu viel Zucker für Kids auf Kindergeburtstagen – Euphorie, überdreht. Susann Beucke ist irgendwie offensichtlich angekommen. Die Regatta war zwar nur innerhalb ihrer Trainingsgruppe, aber das allein sind schon 10 Boote. „Der Trainer ist die ersten zwei, drei Stunden dabei, dann sind wir zu weit draußen“, beschreibt sie die Trainings- und Wettkampfsituation. „Nachts segeln ist sehr komplex“, abgesehen davon, dass sie nach wie vor nur zwei Hände hat für viel zu viele Handgriffe. „Und allein auf dem Schiff, Du kannst niemanden fragen.“ Sie beschreibt weiter: „Nachts sind die Lichter, die man dann sieht, extrem hell, ein Fischerboot sieht sehr gruselig aus, und man muss Distanzen neu lernen, weil dadurch nämlich alles viel dichter erscheint. Da kommt dann schnell Panik auf.“ Unheimlich, Sanni ist inzwischen entspannt.
Seit zwei Jahren ist sie raus aus dem olympischen Segeln und während der einen oder anderen Durststrecke hat sie das durchaus auch bereut, sagt sie, „aber gerade heute Nacht habe ich das Boot richtig gespürt“, und sie hat natürlich nicht geschlafen. „Insgesamt habe ich einen großen Rückstand, denn meine Gegner, viele Pros, segeln seit zehn Jahren offshore, ich seit zwei. Aber ich komme langsam“, freut sie sich. „Und mein Französisch wird auch immer besser.“
Muss sein, die Gruppe ist französisch, der Trainer auch. „Hochseesegeln ist hier total populär, hier ist eine echte Szene“, abgesehen von einem sehr anspruchsvollen Revier. Zurzeit segelt Sanni eine Figaro, geht mit der im Herbst auch wieder auf einer großen Regatta an den Start, liebäugelt aber mit dem Ocean Race oder dem Ocean Race Europe, „das ist ein Wechsel von Formel 2 zu Formel 1“, versucht sie, die Dimensionen zu erklären. Dort wird auf einer IMOCA gesegelt, Boris Herrmanns Malizia ist auch so eine. „Die Teams sind größer, da ist mehr Technik am Start, viel anspruchsvoller“, weswegen ihr Bestreben eben auch mehr wirtschaftliche Chancen offenbart, weil medial spannender, bekannter, … „Da will ich hin“, sagt sie und muss Geld und Sponsoren einsammeln. Das Vendée Globe 2028 ist ihr Ziel, das Ocean Race 2027 nun auch.
Ihr Buch „Gegen den Wind“, das gerade erscheint, wird vielleicht ein wenig dazu beitragen, aber das ist nicht ihre Motivation dahinter. „Als eine Freundin auf mich zukam, lass mal ein Buch schreiben, war ich erst zaghaft“, beschreibt sie ihren Entscheidungsprozess, Autorin zu werden. „Was habe ich schon zu erzählen“, sagt sie ernsthaft, „was habe ich für eine Relevanz?“
Und dann fragte sie ihren alten Trainer Ian Barker, ein echter Sportler und kein Marketing-Mann, der dann meinte: „Wenn nicht Du, wer dann?“ Also entstand ihre Geschichte zum Blättern und sie sagt jetzt: „Ich hätte nie erwartet, dass ich selber mal so auf meine eigene Geschichte schaue“, und sie freut sich über die schöne Umsetzung und die Botschaft, ihre Botschaft, die sich dann doch immer mehr und nach anfänglicher Skepsis auch für sie verfestigte. „Ich bin keine, die sich beschwert.“ Und: „Für mich ist das schon immer selbstverständlich, meine Sachen zu machen, als Frau. Feminismus erschien mir lange als zu angestrengt.“ Doch das Feedback auf ihre Geschichte war so groß, die Erkenntnis, in welchem Maße sie anderen Frauen Mut macht, deutlich. „Schon Segeln ist auch männerdominiert“, sagt sie, wie viele Bereiche in unserer Gesellschaft. „Meine Kampagne soll dabei Mut machen, wir Frauen gehören auch aufs Meer. Wir brauchen eine Veränderung, quer durch die Gesellschaft“, betont Sanni. „Dabei ist meine Idee, dass wir den Wandel nur erreichen, wenn er von uns selbst kommt, wenn wir zeigen, was wir können.“ Umso glücklicher ist sie deswegen über die Kraft ihrer Bilder, „die sind Botschaft genug“, findet sie. This Race is Female.
Copyright Fotos: Felix Diemer