In Segelkreisen kennt man ihn landauf, landab und auch sehr international.
Denn Piese, wir treffen ihn im NRV, gleich ist Vorstandssitzung, er ist in Hamburg geboren und war nie wirklich weg, ist als kleiner Junge in Blankenese mal ausgebüchst: Mit einer Jolle, die ihm nicht gehörte, wollte er um das blaue Band der Elbe segeln. Seine Eltern fanden das nicht so witzig, es gab ´ne Tracht – aber Piese ist seitdem Segler.
Und was für einer, weswegen sie ihn alle kennen. Er macht auch keinen Hehl daraus, dass er ziemlich super ist, aber da scheint meistens auch was dran zu sein. Und ehrlich ist er dabei auch. Gunter Persiehl, inzwischen ist er 84, war lange Unternehmer – dabei wollte er eigentlich zur See fahren, aber die Eltern wollten nicht – und eben Segler. Die Oldies schickten ihn damals aufs Internat an die Schlei und zack, da gab es eine Segelgruppe; sein Hobby war final besiegelt. Hobby ist gut, ein wichtiger Teil seines Lebens fügte sich. „Da habe ich Segeln von Grund auf, sehr schnell und sehr erfolgreich gelernt“, geizt er schon jetzt nicht mit Superlativen. Sein kleines Problem, er war im Blankeneser Segel-Club, auch schick, auch angesagt, aber noch mehr davon bot der Norddeutsche Regatta Verein. Als Freunde der Eltern dann sagten: „Ihr Sohn gehört in den NRV“, wechselte er nachhaltig in den NRV (ist aber immer – auch mal heimlich – in Blankenese in Charge). Da war er 17. Und natürlich erfolgreich, erst im Piraten, dann im Finn-Dinghy, das war nicht so hitverdächtig, „ich kippte mit dem Ding immer um“, dann im Flying Dutchman, später Starboot, zuletzt im klassischen Drachen. Wichtig: immer Regatten, Wettfahrten, sich messen. Segeltouren, no way. Offshore-Regatten über zwei Wochen, selbstverständlich.
Seit ein paar Jahren segelt er keine Regatten mehr. Das Ganze wurde ihm zu ruppig. „Die Bölkerei am Start, die Aggressivität, das ist nicht meins“, sagt er und stellt fest: „Das wird noch immer mehr, ist nicht gut für mein Gemüt. Ich bin zu dicht am Wasser gebaut“, sagt er ehrlich und mehrfach. „Und außerdem bin ich zu alt. Im Alter reagiert man nicht mehr schnell genug, wird deswegen im Schiff überflüssig. Das will ich nicht, das geht gegen meine Ehre“, erklärt er mit großen Augen und ist sehr emotional.
„Da bin ich ein Prinzipienreiter.“ Er fügt hinzu: „Ich habe auch als Vorsitzender“, zu dem man ihn dann mal gemacht hat (sagt er), „aufgehört, als ich das Gefühl hatte, hier müssen Jüngere ran.“ Piese weiter: „Ich habe das mit meiner Firma und meinen zwei Söhnen auch so gemacht, und hier im NRV bin ich dann irgendwann ebenfalls zur Seite getreten“, so halb, haben wir den Eindruck. „Wahrscheinlich war das schon fast zu lange“, grinst er. Na, und nun ist er Kommodore. (Für Nicht-Segler:innen: Segelclubs können ein langjährig hochverdientes Mitglied ehrenhalber zum Kommodore ernennen, um ihren Dank für die Verdienste hervorzuheben.) Klingt toll, ist toll, wird nicht jeder, aber Piese eben.
Weil er in der Vergangenheit so viel geschaffen hat, und weil er aktuell eigentlich auch noch schaffen kann-will-soll. Denn eigentlich kann er es wohl auch nicht lassen, immer wieder segel- und NRV-seitig neu zu denken, alles voranzutreiben, es besser zu wissen und dann auch einfach zu machen. Fehlt Geld? Piese besorgt das. Braucht es Kontakte? Piese hat.
Den Ausbau des Seglerhafens an der Alster hat er vorangetrieben, Gelder und Genehmigungen besorgt; Letzteres kein ganz leichtes Unterfangen, die Alster ist der heilige Gral der Stadt. „Meine Aufgabe jetzt ist es, den NRV weiter zu entwickeln“, heißt auf alle Fälle: Ein Grüßonkel ist ein Commodore Piese nicht. „Ich stelle alles infrage“, klingt anstrengend, „dafür mögen mich auch nicht alle“, sagt er. Aber das ist ok. „Der NRV steht für Vielfalt“, erklärt er, „hier akzeptieren sich alle.“ Was schon mal nett klingt.
„Wir haben den Helga Cup, diverse Inklusions-Events und -Maßnahmen, ermöglichen Kindern aus Wilhelmsburg, aus Barmbek das Segeln und aktuell einer großen Gruppe ukrainischer Segel-Kids.“ So oder so steht der NRV für eine sehr nachhaltige Jugendausbildung. Über 350 Kinder haben sie aktuell am Start. Beste Voraussetzungen, auch für erfolgreichen Segelsport. Denn das sind sie auch. Aktuell ist der NRV wohl der erfolgreichste Sportverein Deutschlands, mit zwei Weltmeister-Titeln in Olympischen Disziplinen. Das Olympic Team des NRV, eine von Pieses wesentlichen Errungenschaften. „Das entstand, als ich als Schiedsrichter bei den Olympischen Spielen in Sydney war und meine Frau und ich feststellten, die deutschen Segler und Seglerinnen, alles tolle Sportler, aber leider kein Team.“ Das Logo entstand laut Piese auf dem Rückflug nach Deutschland. „Das ist inzwischen weltbekannt, ist einmalig, ist von mir“, lacht er. Heute segeln und trainieren 17 Sportler:innen plus 11 Anwärter:innen im NRV Olympic Team, das ausschließlich privat finanziert ist, aber inzwischen nahezu alle Medaillen des Deutschen Segler-Verbandes gewinnt. Pieses allertollste Erfahrung war allerdings das Bundesverdienstkreuz, das damals Frau Dinges-Dierich, stellvertretend für Ole von Beust, überreichte, und zwar mit einer sehr persönlichen Rede versehen. Ist schon ganz schön lange her, aber das hat ihm gut gefallen, sagt er. Und muss jetzt in die Vorstandssitzung.
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