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Normalerweise schnackt man mit ihm und er kommt morgens gerade vom Wasser, in Palma oder auf Lanzarote, tiefenentspannt, wie man den Segler- und Surfer:innen immer unterstellt.

Sebastian Kördel German Sailing Team NRV iQ-Foilen Segeln Sport Hamburg
Auf gutem Kurs Richtung Olympia 2024: iQ-Foil-Vize-Weltmeister Sebastian Kördel.

Diesmal ist es Kiel und der Kraftraum am OSP. Nicht ganz so wunderbar, aber trotzdem entspannt. Wir schnacken mit Sebastian Kördel, frisch gebackener Hamburger Sportler des Jahres, im letzten Jahr Weltmeister und aktuell Deutschlands wohl schnellster iQFoiler. Das ist Windsurfen auf Kufe. „Den Sport gibt es erst seit drei Jahren, das macht alles so speziell“, überschreibt er im Prinzip seine Gesamtsituation. Basti (32), geboren in Radolfzell am Bodensee, lebt seit Jahren – wenn nicht gerade in der Weltgeschichte unterwegs – hier im Norden, trainiert am OSP, Außenstelle Kiel und startet für den Norddeutschen Regatta Verein. Er segelt gerade seinen ersten Olympischen Zyklus, sagt er. 

Er war lange als Windsurfer gefühlt in der Formel 1 unterwegs. Von Herstellern, Sponsoren und mit privaten Geldern unterstützt, dürfen die Sportler:innen hier an ihren Brettern, Segeln, Schwertern, Schlaufen, basteln und rumprobieren, wie sie lustig sind, und solange das Geld reicht – um schnellstmöglich auf dem Wasser unterwegs zu sein. Da das Foilen der Windsurfer nun olympisch ist, demzufolge Standard-Material mit entsprechenden Maßen vorgegeben ist, man spricht von Einheitsklasse, beschränkt sich der Gestaltungsspielraum nun um einiges. Was den Leistungsdruck dennoch nicht mildert, eher nur verlagert. Und weil die Disziplin eben noch sehr jung ist, viele Nationen sich anschicken, hier Medaillenchancen auszunutzen und deswegen alles gleich richtig machen wollen, brennt in der Szene die Hütte. „Das Niveau steigt und steigt“, die iQ-Foiler:innen surfen die steile Lernkurve hoch. „Verrückt“, sagt Basti, „und zwar in allen Belangen.“ 

Früher, nicht olympisch, „war ich ein Einzelkämpfer, eine One-Man-Show“, erklärt er. „Jetzt habe ich ein ganzes Team: Bundestrainer, Physio, Stützpunkt mit unter anderem Psychologen und Material-Fachleuten, die sich hauptberuflich um mich kümmern, auch verrückt“, klingt er nahezu bescheiden, ist er aber nicht. „Die versuchen, das Maximum aus den Sportler:innen, aus den Voraussetzungen rauszuholen“, das ist ihr Job. „Aber so viel Ernsthaftigkeit motiviert mich sehr.“ Bundestrainer ist der Brite Dominic Tidey. Unter ihm trainieren auch NRV-iQ-Foiler Fabian Wolf und Jonne Heinemann vom Bodensee. „Auch für mich ganz neu, in einem deutschen Team zu trainieren. Denn letztlich kann nur einer nach Paris“, sagt Basti, wobei die Rollen aktuell schon noch verteilt sind. „Trotz der aktuell noch existierenden Leistungsunterschiede pushen wir uns gegenseitig, helfen uns. Im französischen Team hingegen sprechen die Top-Fahrer nicht miteinander“, die sind aber auch auf dem Wasser fast gleich schnell, haben allein ca. 5 Top-Fahrer. „Fabi ist Top 20, ich will Medaillen“, klare Ansage.

On top hat er sich deswegen noch seine internationale Trainingsgruppe erhalten: „iQ-Foiler aus Litauen, Israel, der Karibik, ein Franzose, die längst auch zu Freunden wurden, lauter Spitzen-Surfer, die sich schon im Training bis an die Leistungsgrenzen bringen.“ Basti weiter: „Das habe ich schon als privater Surfer für die Weltcups so gemacht und massiv davon profitiert, das macht auch für Olympia Sinn. Und auch die Bundestrainer unterstützen das. Auf einem Niveau zu trainieren, mehr geht ja gar nicht.“ 

Bundestrainer German Sailing Team NRV iQ-Foilen Segeln Sport Hamburg Mannschaftsbild
Basti mit Bundestrainer Tom Tidey, Jonne Heimann (Württemberg. Yacht-Club) und Fabian Wolf (NRV Olympic Team).

So oder so, Basti ist fast täglich irgendwie irgendwo auf dem Wasser und probiert rum. Er empfindet Druck, weil seine Ansprüche so sind, er will vorn mitmischen und hat Sorge, dass andere auch mitmischen könnten, immer Unruhe. Obwohl Einheitsklasse: Es gibt so viele variable Faktoren, sogar noch abgesehen von Revier, Kurs, Wellen, Wind, … bis hin zur Segelgröße, Schlaufenstellung, Mastfuß-Positionierung, wenn man da alle Möglichkeiten nachhaltig testen, die Performance verinnerlichen will, muss man schon fleißig segeln. Zuletzt wurde er als Weltmeister vom letzten Jahr beim Weltcup auf Palma Zweiter, und das ärgert ihn sogar. „Ich lag in Führung und habe gehört, wie der an Zwei Liegende mit dem Fuß aus der Schlaufe ging, bin dann daraufhin mein Manöver zu früh gefahren und habe so den ersten Platz verloren.“ Wie jetzt? Man hört auf seinem Brett, in den Wellen, unterm Segel, wie der Gegner auf dem Brett nebenan den Fuß aus der Schlaufe nimmt? „Wir segeln mit teilweise nur ein, zwei Metern Abstand, bei 20 Knoten hört man alles, man kann sich sogar unterhalten.“ Krass.

Sebastian Kördel German Sailing Team NRV iQ-Foilen Segeln Sport Hamburg Unterwasserfoto

Bei 35 Knoten, das sind über 70 km/h, wird’s laut, noch mal krass. Also will er noch besser, arbeitet an seiner Physis, pumpt, Muskelaufbau. Bis Mitte Juni ist er in Belgien, mit seinen internationalen Buddies im Trainingslager, dann ist Kieler Woche, dann kommt die olympische Testregatta in Marseille, im August dann die WM der olympischen Klassen in Den Haag. Hier geht es dann schon um Nationenplätze für Olympia. Er kommt wieder mit seinem Zeitdruck um die Ecke. „Ich habe noch tausend Sachen zu tun, habe keine Zeit“, sagt er. Dabei sieht er so entspannt aus. Aber der Druck ist seiner, er will den Erfolg. „Ich habe ein gutes Gefühl für all die Variablen, das haben andere nicht, auch wenn international das Niveau steigt. Eigentlich mache ich mir keine Sorgen. Hauptsache, ich bleibe gesund“, um mal die Kirche im Dorf zu lassen. „Und eines ist wichtig“, sagt er, „Training ist für mich keine Arbeit, wenn ich über das Wasser fliege, dann ist alles ruhig, dann ist der Druck weg, dann ist alles gut.“ Dann flieg.

Copyright Fotos: DSV/Sailing Energy

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